Anna von Hacht ist Expertin im Bereich nachhaltige Entwicklung in Kitas. Sie gibt uns einen Einblick in den Prozess und erklärt, wie Nachhaltigkeit langfristig verankert werden kann.
Wesentlichen Stellschrauben in einer pädagogischen Einrichtung
Die Grundlage von allem ist die Haltung der Erwachsenen und aller Beteiligten in dem Prozess zu mehr Nachhaltigkeit in Kitas. Deswegen ist es als Fachkraft immer wichtig in die eigene Reflektion zu kommen. Warum ist Nachhaltigkeit eigentlich wichtig, was hat das Thema mit mir zu tun und wie nachhaltig lebe ich selbst eigentlich bereits? Jeder hat sein individuelles Nachhaltigkeits-Paket zu bieten und dieses gilt es zu identifizieren. Diese Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung ist eine der Stellschrauben, an der gedreht werden sollte. Alles andere wächst daraus.
Ein weiterer essentieller Aspekt auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Kita ist das Commitment im Team. Die Leitung selbst mit dem Team, sowie das gesamte Team untereinander muss zusammenarbeiten und kooperieren. Gemeinsam sollte man hinterfragen was man verändern will. Wenn eine einzelne Person vorprescht, indem sie beispielsweise ab sofort nur noch Bioprodukte für die Einrichtung bestellen möchte, kann es zu Gegenwind auf Grund der Kosten kommen. Andere Vorschläge, wie beispielsweise der Wechsel zu einem anderen Stromanbieter können dem entgegengestellt werden. Das Resultat sind dann viele verschiedene Ansätze, dadurch aber auch verschiedene Tempi und Konfliktpotenziale im Team, welche dem gemeinsamen Vorhaben im Wege stehen können. Daher muss es ein Commitment im Team während des ganzen Prozesses geben und gute Kommunikation. Alleine die Tatsache, dass man sagt, jeder baut sich sein eigenes Nachhaltigkeits-Paket, bedeutet, dass jeder seinen Weg finden muss das Thema für sich umzusetzen, aber man eben auch gemeinsam als Team daran arbeitet. Wenn eine Person sagt ich komme ab jetzt mit dem Fahrrad zur Kita und die nächste Person sagt ich fliege weniger in den Urlaub und fahre stattdessen mit dem Zug, sind es zwei unterschiedliche Ansätze ein nachhaltigeres Leben zu führen und das sollte in Ordnung sein, denn jeder lebt so nachhaltig, wie er/sie es für richtig hält.
Eine weitere Stellschraube sind Nachhaltigkeitsstrategien. “Es wird immer häufig gedacht, wir müssen von allem weniger machen. Also zum Beispiel weniger Müll produzieren. Das ist immer der erste Gedanke von Nachhaltigkeit. Dabei kann eine Strategie viel kreativer sein und man überlegt mit den Kindern gemeinsam, wie man aus dem Müll etwas basteln könnte”, so Anna von Hacht, Expertin für nachhaltige Entwicklung in Kitas. Der Verzicht spielt trotzdem eine Rolle, aber es ist nicht das einzige, was Nachhaltigkeit ausmacht.
Auch strukturell gibt es Stellschrauben, die man sich gemeinsam anschauen kann. Zum Beispiel die Frage, wie klimaschonend eigentlich die Ernährung in der Einrichtung ist oder wie das Außengelände gestaltet werden kann.
Eine nachhaltigere Kita zu entwickeln ist natürlich immer auch ein Thema für Partizipation. Die Kinder sollen sich am Prozess beteiligen können und nachhaltige Entwicklungen selbst mitgestalten. Am Ende geht es schließlich darum, dass die Fachkräfte einer Kita sie dazu befähigen selber etwas zu verändern.
“Und das ist das Schöne – diese alltagsnahen Momente: Auf dem Weg zur Kita eine Mülltüte mitnehmen und Müll sammeln. Sie werden aktiv, sie setzen sich damit auseinander und merken, dass sie etwas ändern können. Und das ist für mich so wichtig!”, sagt Anna von Hacht.
Die Ganzheit dieser Stellschrauben ist sehr wichtig. Der Prozess beginnt aber ganz klar mit der Auseinandersetzung und der Reflektion der eigenen Haltung. Anschließend daran muss die Entwicklung dann vom gesamten Team getragen werden. Bei dem Thema Nachhaltigkeit geht es eben auch darum, dass wir mit uns als Personen gegenseitig nachhaltig umgehen und als Team erst einmal schauen, wie viel Ressourcen haben wir eigentlich, was tut uns gerade gut und was brauchen wir eigentlich, um nach außen hin sagen zu können “Wir sind eine nachhaltige Kita”. Überspitzt gesagt, reicht es nicht, den Müll zu trennen, aber innerhalb des Teams völlig ausgebrannte Mitarbeitende zu haben, weil der gegenseitige Umgang oder die Arbeitskultur selbst nicht nachhaltig sind. Neben dem ökologischen Aspekt spielen eben auch der soziale Gedanke und Gerechtigkeitsfragen eine Rolle bei der nachhaltigen Entwicklung, gerade innerhalb eines Teams.
Das ganze Team mitziehen
Wie das Handeln zu mehr Nachhaltigkeit bei den Mitarbeitenden ankommen und von ihnen mitgetragen werden, hängt davon ab, wie die innere Bereitschaft der Einzelnen ist und wo das Team insgesamt aktuell steht. Wenn es keine gute Teamkultur gibt, kann das Thema Nachhaltigkeit als neues Thema nicht auf einem guten Boden wachsen.
Ob Nachhaltigkeit funktioniert ist auch abhängig davon, ob die Pädagoginnen den Mehrwert und das Konzept einer Nachhaltigkeit und einer BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung) verstehen und annehmen wollen. Die Leitung muss hierbei ebenso mitwirken. Wenn das Team denkt “Oh, das ist jetzt noch hier obendrauf. Wir sollen doch jetzt auch Qualitätsentwicklung machen, Gesundheitsförderung, Sprachbildung und jetzt müssen wir doch BNE machen.”, entsteht natürlich ein Widerstand und dann wird der Prozess als Mehrarbeit und als zusätzlicher Aufwand verstanden. Wenn es aber verstanden wird, als ein Denken und Handeln, an das alle in ihrem Alltag anknüpfen können und jede pädagogische Fachkraft ihren eigenen Zugang finden kann, dann kann der Prozess mit einer guten produktiven Energie aufgeladen werden.
Aufgabe der Leitung
Anna von Hacht sagt: “Ich finde es wichtig, von Anfang an anzunehmen, dass es Menschen dazwischen gibt, die nicht sofort begeistert sind und dass das total in Ordnung ist.” Jeder kann sein eigenes Tempo haben und dass es Widerstände gibt, gehört auch dazu. Es ist ein Veränderungsprozess, der auch etwas mit einem persönlich macht. Eine Leitung sollte von Anfang an Raum geben zum Austausch. Vor allem zum Beginn des Prozesses zu mehr Nachhaltigkeit ist Coaching-Kompetenz gefragt. Die Leitung sollte fragen: Wie geht es euch damit? Was braucht ihr, damit wir gut anfangen können? Wo seid ihr euch unsicher? Wo braucht ihr Unterstützung? Sie sollte propagieren, dass es nicht darum geht von heute auf morgen die ganze Kita umzukrempeln, sondern in kleinen Schritten und im Alltag zu beginnen. Ganz wichtig ist außerdem, dass dieser Entwicklungsprozess allen Spaß bringt.
Nachhaltigkeit langfristig verankern
Ein langfristiges Ziel sollte eine Verankerung des Bildungskonzeptes BNE im Kita-Konzept sein. Und zur Transparenz und Veröffentlichung des Prozesses kann beispielsweise ein Plakat mit dem Schriftzug: „Wir leben Nachhaltigkeit“ beitragen.“ “Ich finde, es sollte auch immer Thema in den Teamsitzungen sein. Oder es sollte einen festen Tag im Jahr geben, an dem geschaut wird, wo stehen wir eigentlich mit unserer Nachhaltigkeit?” Außerdem könnte man zum Beispiel einen Nachhaltigkeits-Kalender anlegen, angelehnt an die Jahreszeiten, sodass man mit nachhaltigen Tipps und Aktionen durch das Jahr geführt wird und immer wieder an das Thema erinnert wird. So kann man Nachhaltigkeit langfristig strukturell und auch pädagogisch begleiten und verankern.
Einen einheitlichen “Tipp” gibt es nicht
“Ich würde da tatsächlich nichts sagen wollen, weil ich der Meinung bin, das bringt wieder Menschen in eine Richtung, wie nachhaltiges Verhalten aussieht. Ich finde es eigentlich wichtiger, dass man sich mit sich selbst auseinandersetzt und überlegt: Wie nachhaltig lebe ich eigentlich und in welchem Bereich habe ich Lust etwas zu verändern? Deswegen halte ich mich da lieber zurück. Der eine findet das Thema faire Produkte wichtig und der andere findet das Thema Mobilität wichtiger und das ist völlig in Ordnung.”, so Anna von Hacht. Wir können dem nur zustimmen und finden: Jeder Schritt hin zu einer nachhaltigeren Welt zählt!
Anna von Hacht ist...
Mitgestalterin in der ersten Entwicklungsphase des Zertifizierungsverfahrens "KITA21- Die Zukunftsgestalter"
Koordinatorin in Norddeutschland und Trainerin in dem bundesweiten Projekt "Leuchtpol - Energie und Umwelt neu erleben!“
Moderatorin philosophischer Gesprächsrunden mit Kita-Kindern im Kontext von BNE seit 2011
Begleiterin in Kita-Teams in Veränderungsprozessen zu mehr Nachhaltigkeit
Beraterin für Kita-Leitungen zur Leitung von Teams in Veränderungsprozessen
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