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Eltern besser verstehen

Über Herausforderungen der Elternarbeit und den Wandel, den Eltern und Pädagog:innen gemeinsam erleben: Ein Interview mit Eltern- und Familienberater Moritz Stahl.


Vor welche Herausforderungen stehen Eltern heutzutage? Was ich sehe ist, dass wir uns in einer Umbruchphase befinden. Eltern versuchen heutzutage eine neue Rolle für sich zu entdecken und haben das Gefühl, sie müssen ganz viel anders machen, was die eigenen Eltern noch falsch gemacht haben. Ich glaube, dass viele Eltern heutzutage richtig gute Werte haben und ihre Kinder viel stärker beteiligen wollen. Kinder haben eine viel gleichberechtigtere Rolle, als noch vor 20 Jahren. Man merkt, die Eltern machen sich viele Gedanken, lesen Ratgeber, hören Podcasts, gucken Videos und so weiter. Aber ich merke trotzdem, dass es eine ganz große Suche nach Halt gibt, weil sie häufig ihre eigenen Bedürfnisse total vernachlässigen. Die eigenen Kinder sind die Könige und haben 100% der Aufmerksamkeit. Die Eltern gehen selbst in die Knie und vernachlässigen sich, ihre Partnerschaft und alles, was man eigentlich braucht, um ein stabiler Elternteil zu sein. Es gibt bei einigen eine Diskrepanz zwischen sehr hohen Werten, sehr hohen Ansprüchen und dem Kind alles ermöglichen an freier Entfaltung. Aber nur mit Freiheiten kommt man ja nicht weiter. Also braucht es da noch mal so etwas wie gemeinsame Regeln oder auch eigene Bedürfnisse, die man formulieren muss. Das ist eine große Herausforderung, die ich bei Eltern sehr, sehr stark merke und wo auch eine große Unsicherheit vorhanden ist.

Was sind Herausforderungen für Fachkräfte?

Ich glaube, das hängt immer ein bisschen vom System ab. Ich als Berater kann natürlich sehr intensiv in den Austausch gehen und ein intensives Coaching mit den Eltern machen. Das ist natürlich anders, wenn ich in einer Kita oder Schule arbeite. Da bin ich manchmal im Zwiespalt. Einerseits bin ich mit dem Bildungsauftrag beschäftigt, andererseits möchte ich den Alltag und die Lebensrealität der Eltern verstehen. Ich glaube, was immer wichtig ist, dass man es schafft, das Kind in den Mittelpunkt zu stellen. Dann sollte man sich fragen, wie können wir gemeinsam das Kind bestmöglich unterstützen und die unterschiedlichen Blickwinkeln einnehmen.

Die Eltern sind ja immer totale Experten für ihr eigenes Kind, aber Fachkräfte sind nun mal pädagogische Experten und da muss man sich irgendwo in der Mitte treffen.

Warum ist eine Weiterbildung in diesem Bereich sinnvoll? Ich glaube, dass diese Unsicherheit, die bei den Eltern da ist, sich auch in den Einrichtungen widerspiegelt. Die Eltern geben ihre Kinder immer früher in die Kita, da sie mehr arbeiten. Gleichzeitig wird die Belastung in den Einrichtungen höher. Ich merke bei den Fachkräften immer, dass dadurch auch bei denen eine Unsicherheit entsteht. So nach dem Motto: Können wir denn unseren Werten überhaupt noch vertrauen, haben wir noch die richtigen Handlungsweisen für die heutigen Kinder und kommunizieren wir auf Augenhöhe mit den Eltern? Wie können wir das überhaupt schaffen? Ich glaube, da sind ganz viele offene Fragen. Diese Unsicherheit, die da ist oder dieser Wandel, der entsteht, betrifft einfach alle. Von daher ist es wichtig, dass wir alle gemeinsam an diesem Thema arbeiten.


Was magst du besonders an deiner Arbeit?

Besonders schön finde ich eigentlich, wenn ich das Gefühl habe, dass Menschen sich bewusster mit sich und ihrer Art zu erziehen auseinandersetzen. Der erste Schritt ist ja immer der “Bewusstseinsschritt”, also, dass ich merke, ich bin hier gerade auf dem Holzweg, möchte etwas ändern und mache mich auf den Weg. Es gibt dann immer ein paar Werte, die man sich bewusst macht und dann versucht an ihnen zu arbeiten. Ich finde es toll, wenn Menschen Impulse aufnehmen und ich ihnen anmerke, dass sie etwas verändern wollen. Das ist immer großartig!



 

Dipl. Pädagoge Moritz Stahl ist Familien- und Elternberater und arbeitet als Dozent. Seit 20 Jahren arbeitet er pädagogisch in unterschiedlichen Zusammenhängen mit Kindern und Familien. Bei seiner Arbeit setzt er auf das Konzept der 4 Grundbedürfnisse von Klaus Grawe. "Dieses Konzept leitet meine Arbeit und all mein pädagogisches Denken und Handeln und ermöglicht mir eine umfangreiche Sicht auf Entwicklungs- und Lernprozesse", so Moritz.



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